Prozessuale Fristen in Italien

1. Verschiedene Arten von Fristen in der zivilprozessualen Praxis (zum Beispiel prozessuale Fristen, Verjährungs- oder Ausschlussfristen, vorherbestimmte Fristen und so weiter)

Eine prozessuale Frist ist ein Zeitraum, in dem oder nach dessen Ablauf eine bestimmte Prozesshandlung vorgenommen werden muss oder kann.

Prozessuale Fristen sind gesetzlich festgelegt (gesetzliche Fristen (termini legali)). Sie können aber auch durch das Gericht bestimmt werden (das sie mit verjährender Wirkung versehen kann, so dass Rechte bei Fristablauf erlöschen, wenn sie nicht wahrgenommen werden), jedoch nur, wenn dieses nach dem Gesetz ausdrücklich zulässig ist (richterliche Fristen (termini giudiziari)).

Prozessuale Fristen lassen sich traditionell in drei Kategorien einteilen: Fristen mit aufschiebender Wirkung (zum Beispiel Fristen für das Erscheinen vor Gericht), zwingende Fristen (beispielsweise für Rechtsmittel oder für Sammelklagen einer Partei) und fakultative Fristen (zum Beispiel innerhalb welcher Zeit ein Urteil verkündet werden muss).

Fristen mit aufschiebender Wirkung (termini dilatori) bezeichnen einen Zeitraum zwischen einer in sich abgeschlossenen Handlung (zum Beispiel eine gerichtliche Vorladung) und einer bestimmten Rechtswirkung (zum Beispiel die Möglichkeit des Erscheinens vor Gericht). Solche Fristen hemmen nur vorübergehend die Wirkung einer Rechtshandlung, die sonst abgeschlossen ist.

Zwingende Fristen (termini perentori) sind nur solche Fristen, die durch Gesetz oder das Gericht, sofern gesetzlich zulässig, ausdrücklich als solche angegeben werden. Der zwingende Charakter einer Frist kann auch aus der Funktion abgeleitet werden, welche die Frist erfüllen soll (Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts 107/2003).

In die Kategorie der fakultativen Fristen (termini ordinatori) fallen alle anderen Fristen, die keine Fristen mit aufschiebender Wirkung oder zwingende Fristen sind.

Die Abgrenzung ist wichtig, nicht nur weil die Folgen einer Fristversäumung unterschiedlich sind, sondern auch weil zwingende Fristen nicht verkürzt oder verlängert werden können, nicht einmal mit Zustimmung beider Parteien, während fakultative Fristen gemäß Artikel 153 und 154 der italienischen Zivilprozessordnung vor Ablauf auf Antrag oder durch das Gericht von Amts wegen verkürzt oder verlängert werden dürfen. Auch Fristen mit aufschiebender Wirkung dürfen in den vom Gesetz bestimmten Fällen (Aufschub, Verkürzung) verändert werden. Die Frage, ob Artikel 154 der Zivilprozessordnung allgemein auf Fristen mit aufschiebender Wirkung angewendet werden kann, ist in der Literatur umstritten.

Diese prozessualen Fristen sind von den Verjährungs- und Ausschlussfristen zu unterscheiden, die materielles Recht sind und durch das italienische Zivilgesetzbuch (Artikel 2934-2963 bzw. 2964-2969) geregelt werden.

Mit Ablauf der Verjährungsfrist (prescrizione) erlischt ein Recht, wenn es durch die berechtigte Partei nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ausgeübt wurde.

Bei der Ausschlussfrist (decadenza) erlischt ein Recht (normalerweise eine Befugnis oder eine Fähigkeit) nach Ablauf einer zwingenden Frist, die durch Gesetz oder durch die Parteien für die Ausführung bestimmter Rechtshandlungen festgelegt ist. Die objektiven oder subjektiven Umstände, die zu dem Versäumnis geführt haben, sind unerheblich.

Die Verjährung tritt nicht automatisch ein, sondern eine der Parteien muss sich darauf berufen, entweder durch eine eigene Handlung oder durch eine Einwendung gegen die Handlung eines Anderen. Auch bei einer Ausschlussfrist ist ein Antrag oder eine Einwendung durch eine Partei erforderlich. Das Gericht wird jedoch den Antrag oder die Einwendung als unzulässig abweisen, wenn der Anspruch kein Ermessen zulässt (z. B. bei nicht übertragbaren Rechten wie bei den Personenstand betreffenden Rechten, Persönlichkeitsrechten, familienrechtlichen Ansprüchen usw.).

Hemmung. Gemäß Gesetz 1969/742 werden Fristen, die während der Gerichtsferien im Sommer (jedes Jahr vom 1. August bis zum 15. September) laufen oder zu laufen beginnen, nach dem Gesetz vom 1. August bis zum 15. September jedes Jahres gehemmt und laufen nach Ablauf des Hemmungszeitraums weiter. Das Gesetz sieht jedoch Ausnahmen vor: Die Hemmung gilt nicht für Klagen und Verfahren gemäß Artikel 92 der Gerichtsordnung (ordinamento giudiziario). Das betrifft zum Beispiel Klagen auf Unterhaltszahlung, arbeitsrechtliche Klagen, Sozialversicherungs- und Fürsorgeangelegenheiten, Einwendungen gegen Zwangsvollstreckungen oder einstweilige Verfügungen).

Nicht unter das Gesetz 1969/742 fallen Fristen für die Durchsetzung materieller Ansprüche (z. B. Fristen für die Reklamation gekaufter Waren).

Quellen: Artikel 152-155 der italienischen Zivilprozessordnung; Gesetz 1969/742.

2. Liste der Tage, die nach der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 vom 3. Juni 1971 als arbeitsfreie Tage vorgesehen sind.

Die folgenden Tage sind arbeitsfreie Tage: alle Sonntage, 1. Januar, 6. Januar, 25. April, Ostermontag, 1. Mai, 2. Juni, 15. August, 1. November, 18. Dezember sowie 25. und 26. Dezember.

Quellen: Gesetz 1949/260, geändert durch die Gesetze 1954/90 und 1977/54, durch Präsidialerlass (DPR) 1985/793 und durch Gesetz 2000/336.

3. Welche allgemeinen Regeln sind auf die Fristen für die verschiedenen Zivilverfahren anwendbar? Nennen Sie die anwendbaren Rechtsvorschriften.

Bei der Berechnung von in Tagen und Stunden bemessenen Fristen wird der/die erstgenannte Tag/Stunde nicht mitgerechnet, während der Tag, an dem die Frist abläuft (dies ad quem) mitgezählt wird.

Bei der Berechnung von in Monaten und Jahren bemessenen Fristen wird so verfahren, dass die in Monaten bemessene Frist bis um Mitternacht des Tages des Monats läuft, der dem Tag des Fristbeginns entspricht. Bei in Jahren bemessenen Fristen endet die Frist um Mitternacht des Tages des Monats eines nachfolgenden Jahres, der dem Tag des Fristbeginns entspricht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Monat 31 oder 28 Tage hat oder der Februar eines Schaltjahres mitgerechnet wird.

Endet die Frist an einem gesetzlichen Feiertag, wird die Frist bis zum ersten darauf folgenden Tag verlängert, der kein gesetzlicher Feiertag ist (Artikel 155 der italienischen Zivilprozessordnung). Im Gegensatz zur früheren Rechtspraxis haben die Gerichte in jüngerer Zeit entschieden, dass dieselbe Regel auch auf rückwärts laufende prozessuale Fristen anzuwenden ist. Wird beispielsweise ein Auktionsverkauf für einen Montag und die Frist für die Abgabe von Angeboten auf „den Tag vor dem Verkauf“ festgesetzt, endet die Frist an dem Samstag vor der Auktion (Entscheidung des Kassationsgerichts 2003, Nr. 19041).

Zuweilen schreibt das Gesetz eine in freien Tagen bemessene Frist vor (giorni liberi, z. B. die in Artikel 163bis der italienischen Zivilprozessordnung genannten Fristen für das Erscheinen vor Gericht). In solchen Fällen werden der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt (dies a quo), und der Tag, an dem die Frist abläuft (dies ad quem), nicht mitgerechnet.

Wann Prozesshandlungen vorzunehmen sind, ist ebenfalls in speziellen Gesetzen für einzelne Rechtsbereiche geregelt, die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sind jedoch stets allgemein anwendbar.

Quellen: Artikel 155 der italienischen Zivilprozessordnung.

4. Wann beginnt eine Handlung oder Formalität, die innerhalb einer gesetzten Frist erfolgen muss („terminus a quo“) – z. B. ab dem Tag der Handlung, des Ereignisses, der Entscheidung, der Zustellung und/oder der Bekanntmachung)?

Die Laufzeit von Fristen, ausgenommen in Stunden bemessene Fristen, beginnt mit dem Tag, an dem eine die Frist auslösende Rechtshandlung vorgenommen wird (zum Beispiel die Zustellung eines Urteils oder die Mitteilung einer Handlung oder Maßnahme).

Dabei ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt des Tages die Frist zu laufen beginnt, da der dies a quo bei der Berechnung der Frist nie mitgezählt wird.

Dieses Grundprinzip („dies a quo non computatur in termino“) gilt für das Prozessrecht und das materielle Recht, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Häufig beginnt eine Frist mit der Bekanntmachung einer Rechtshandlung oder der Zustellung eines Urteils, doch können Fristen auch durch andere Ereignisse ausgelöst werden.

Beispiele:

  1. die (kurze) Frist für die Einlegung einer Berufung oder den Antrag auf Revision nach Artikel 395 Nummern 4 und 5 der italienischen Zivilprozessordnung beginnt mit der Zustellung des Urteils;
  2. die Frist für die Feststellung der Zuständigkeit des Gerichts oder die Frist für die Anfechtung richterlicher Anordnungen eines Kammergerichts beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung oder anderer Maßnahmen;
  3. die allgemeine Frist für die Verjährung von Rechtsmitteln nach Artikel 327 der Zivilprozessordnung beginnt mit dem Tag der Verkündung des Urteils;
  4. die Laufzeit der Frist für die Revision gemäß Artikel 395 Nummern 1, 2 und 3 der Zivilprozessordnung beginnt mit dem Tag, an dem die betrügerische Absicht oder die Unwahrheit entdeckt wird oder das Schriftstück vorgelegt werden kann.
4.a) Kann der Beginn der Frist durch die Art der Übermittlung oder Zustellung von Schriftstücken (persönliche Übergabe durch einen Gerichtsvollzieher oder Postweg) beeinflusst oder verändert werden?

Die Frage betrifft Fristen, die ab dem Tag der Zustellung oder Mitteilung von Entscheidungen zu laufen beginnen (zum Beispiel Rechtsmittelfristen).

Für die Einlegung einer Berufung innerhalb der in Artikel 325 der Zivilprozessordnung festgelegten kurzen Frist (30 Tage für die Berufung, 60 Tage für die Revision vor dem Kassationsgericht) ist der Tag maßgebend, an dem das Urteil dem Empfänger zugegangen ist. Der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, kann jedoch abhängig von der gewählten Zustellungsart variieren, da die Zustellung per Post mehr Zeit beanspruchen kann als die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher.

Es handelt sich jedoch eher um eine Frage praktischer Art, da die Berufungsfrist ohnehin erst am Ende des Zustellungsverfahrens mit dem Eingang des Schriftstücks beim Empfänger zu laufen beginnt. Die Einschaltung eines Gerichtsvollziehers mag dann sinnvoll sein, wenn eine schnellere Zustellung gewünscht wird.

Das Kassationsgericht hat vor kurzem eine Frage anderer Art geprüft und – der Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichts zur postalischen Zustellung (Entscheidungen Nr. 477 von 2002 und Nr. 28 von 2004) folgend – den Grundsatz bestätigt, dass ein Gerichtsdokument (unabhängig davon, ob es durch die Post oder persönlich durch den Gerichtsvollzieher zugestellt wird) für die zustellende Seite wirksam zugestellt ist, sobald das Schriftstück an den Gerichtsvollzieher übergeben wurde, während für den Empfänger die Zustellung am Tag des Empfangs des Schriftstücks wirksam wird (Entscheidungen des Kassationsgerichts Nr. 4289 und Nr. 13970 von 2004).

Dieser Grundsatz, der als wirksame Zustellung unterschiedliche Zeitpunkte für die zustellende Seite und den Empfänger vorsieht, ist durch die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 in der EU bereits anerkannt, betrifft aber nur die Frage der rechtzeitigen Zustellung des Schriftstücks. Die gesetzliche Frist gilt von der zustellenden Partei als eingehalten, wenn das zuzustellende Schriftstück vor Fristablauf an den Gerichtsvollzieher übergeben wurde. Keine Auswirkung hat der Grundsatz auf den Beginn oder dies a quo der Frist – den Zeitpunkt, auf den im Fragebogen Bezug genommen wird – d. h. auf den Zeitpunkt der Zustellung oder Mitteilung eines Schriftstücks, der Urteilsverkündung oder eines der anderen Ereignisse, die oben beschrieben wurden (siehe Punkt 4).

Wird beispielsweise eine Berufung gegen ein Urteil in erster Instanz innerhalb der Frist von 30 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung an den Gerichtsvollzieher übergeben, ist das Recht auf Berufung nicht verjährt, auch wenn die Berufung dem Empfänger erst nach Fristablauf zugestellt wird. Aus der Sicht des Empfängers hingegen ist die Zustellung erst erfolgt, wenn ihm das Schriftstück zugegangen ist.

5. Wann beginnt die Frist zu laufen:

5.a) Sofern eine Frist nach Tagen bemessen ist, zählt dann der tatsächliche Zeitpunkt der Handlung, des Ereignisses, des Urteils beziehungsweise der Zustellung und/oder Mitteilung?

Bei einer nach Tagen bemessenen Frist wird der erste Tag (dies a quo) nicht mitgezählt.

5.b) Werden bei einer nach Tagen bemessenen Frist Kalendertage oder nur Arbeitstage gezählt?

Bei einer nach Tagen bemessenen Frist entspricht die Zahl der Tage den Kalendertagen, einschließlich gesetzlicher Feiertage (auch der dies a quo kann gesetzlicher Feiertag sein).

5.c) Was ist, wenn die Frist nach Monaten oder Jahren bemessen ist?

Nach Jahren oder Monaten bemessene Fristen werden nach dem allgemein gültigen Kalender berechnet. Dabei läuft die Frist an dem Tag ab, der die gleiche Zahl wie der dies a quo hat. Beispielsweise läuft eine Frist von einem Jahr für die Berufung gegen ein Urteil, das in einer Arbeitsrechtssache am 30. Juni ergangen ist, am 30. Juni des folgenden Jahres ab, wenn sie nicht durch die sommerlichen Gerichtsferien gehemmt wird. Würde die Hemmung durch die Sommerferien des Gerichts gemäß Gesetz 1969/742 greifen, würde die einjährige Frist um die 46 Tage der Hemmung verlängert werden (1. August – 15. September).

5.d) Wann läuft eine solche Frist ab?

Prozessuale Fristen laufen um Mitternacht des angegebenen Tages, Monats oder Jahres ab.

6. Verlängert sich eine Frist, die an einem Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder arbeitsfreien Tag abläuft, bis zum nächsten Arbeitstag? Gilt diese Verlängerung auch, wenn ein künftiges Ereignis Anfangspunkt dieser Frist ist?

  • Ein Samstag gilt als Arbeitstag und nicht als gesetzlicher Feiertag. Die gesetzlichen Feiertage sind in der Antwort auf Frage 2 aufgelistet.
  • Würde eine Frist an einem gesetzlichen Feiertag ablaufen, würde die Frist bis zum ersten darauf folgenden Tag verlängert, der kein gesetzlicher Feiertag ist. Das gilt auch, wenn die Frist erst mit dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses zu laufen beginnt.

7. Wenn der Antrag an ein Gericht mit Sitz im Kernland des Mitgliedstaats (das auch Gebiete außerhalb der Metropole oder räumlich getrennte Gebiete umfasst), gerichtet ist, verlängern sich dann die Fristen für Personen, die in einem dieser Gebiete leben/wohnen oder für Personen, die im Ausland leben/wohnen?

Die Frage trifft für Italien nicht zu.

8. Wenn umgekehrt der Antrag an ein Gericht mit Sitz in einem vom Kernland räumlich getrennten Gebiet gerichtet ist, verlängern sich dann die Fristen für Personen, die nicht in diesen Gebieten leben/wohnen oder für Personen, die im Ausland leben/wohnen?

Die Frage trifft für Italien nicht zu.

9. Gelten für bestimmte Zivilsachen spezielle Fristen?

Beschränkt man die Antwort auf Fristen für Rechtsmittel, so gelten besondere Fristen für Insolvenzsachen.

Für Urteile, die in Berufungsverfahren gegen Insolvenzentscheidungen ergangen sind, gilt eine kurze Revisionsfrist von 15 Tagen ab der Verkündung des Urteils (Artikel 19 des Königlichen Dekrets (regio decreto) Nr. 267 von 1942).

Das Insolvenzverfahren ist jedoch vor kurzem durch die Rechtsverordnung (decreto legislativo) Nr. 5 vom 9. Januar 2006 (veröffentlicht im italienischen Amtsblatt Gazzetta Ufficiale Nr. 12 vom 16. Januar 2006), die am 16. Juli 2006 in Kraft getreten ist, grundlegend reformiert worden. Nach Artikel 18 der Verordnung beträgt die Frist für die Einlegung einer Berufung gegen ein Insolvenzurteil üblicherweise 30 Tage, gerechnet ab dem Tag, an dem das Urteil dem Schuldner zugestellt wird.

Besondere Fristen gelten auch in besonderen Adoptionsverfahren. Betroffen sind Rechtsmittel gegen Urteile über die Adoptionsfähigkeit Minderjähriger (Gesetz 1983/184). Berufungen bei der nächsten Instanz und Revisionen bei dem Kassationsgericht müssen beide innerhalb einer Frist von 30 Tagen, die mit der Zustellung des Urteils durch den Urkundsbeamten des Gerichts zu laufen beginnt, eingelegt werden.

10. Können Gerichte in einem Notfall oder aus anderen Gründen die Ladungsfristen abkürzen oder für die Ladung eine spezielle Frist setzen? Ist umgekehrt auch eine Verlängerung dieser Fristen möglich?

Der Kläger kann den Tag des Erscheinens frei wählen, jedoch muss zwischen dem Tag der Zustellung und dem Tag der ersten Verhandlung eine bestimmte Anzahl „freier Tage“ vergehen, nämlich 60 Tage, wenn die Zustellung in Italien, und 120 Tage, wenn sie im Ausland stattfindet. In besonders dringenden Fällen kann der Präsident des Gerichts auf Antrag des Klägers diese Fristen um die Hälfte kürzen, indem er am unteren Ende des Originals der Vorladung einen begründeten Beschluss einträgt, der auch auf die Durchschriften zu übertragen ist.

Überschreitet die von dem Kläger bestimmte Frist die gesetzliche Mindestfrist, kann der Beklagte verlangen, dass der Gerichtspräsident die erste Verhandlung unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestfrist zeitlich vorverlegt. Ein solcher Antrag muss vor Ablauf der Mindestfrist gestellt werden. Die Entscheidung des Gerichtspräsidenten muss dem Kläger mindestens fünf Tage vor dem neuen Verhandlungstermin mitgeteilt werden. Dieselbe Regel gilt auch für den Rechtsmittelweg.

Innerhalb von fünf Tagen nach Vorlage der Akte kann der vorsitzende Richter nach eigenem Ermessen den Termin der ersten Verhandlung um bis zu 45 Tage durch einen Beschluss verschieben, der den Parteien mitzuteilen ist (Artikel 168bis Absatz 5 der Zivilprozessordnung). Dieser neue Tag ist dann der Bezugstag für die Berechnung von Fristen für das Erscheinen vor Gericht und für die Einreichung von Gegenklagen durch den Beklagten (Entscheidung des Kassationsgerichts 2003, Nr. 26526).

11. Geht eine Partei, die an einem Ort ansässig ist, an dem ihr eine Fristverlängerung gewährt würde, dieses Vorteils verlustig, wenn sie über eine vorzunehmende Handlung an einem Ort unterrichtet wird, an dem ihr keine derartige Fristverlängerung gewährt würde?

Diese Frage scheint für Italien nicht relevant zu sein. Um einen etwas anders gelagerten Fall handelt es sich, wenn prozessuale Fristen verlängert werden, weil eine Gerichtskanzlei nicht oder nicht korrekt arbeitet (gemäß Gesetz Nr. 437 von 1948): ein Beklagter, der zum Erscheinen vor einer dieser Kanzleien vorgeladen ist, hat unabhängig von dem Ort der Zustellung des Schriftstücks einen Anspruch auf eine solche Verlängerung.

12. Welche Folgen hat die Nichteinhaltung von Fristen?

Wird eine zwingende Frist versäumt, erlischt das Recht oder die Möglichkeit zur Vornahme einer bestimmten Rechtshandlung. Das Erlöschen erfolgt automatisch und wird durch das Gericht von Amts wegen festgestellt. Die Folgen des Fristablaufs sind in der Regel unumkehrbar, da sie nicht generell, sondern nur unter bestimmten gesetzlich geregelten Voraussetzungen heilbar sind (rimessione in termini).

Das Versäumen einer fakultativen Frist hat nach der jüngsten Rechtsprechung des Kassationsgerichts (Entscheidung des Kassationsgerichts 2003, Nr. 6895) dieselben Folgen wie das Versäumnis zwingender Fristen. Es wird keine neue Frist für die Ausführung derselben Rechtshandlung gewährt. Nach der herrschenden Lehrmeinung werden die Folgen des Versäumens einer fakultativen Frist von Fall zu Fall durch das Gesetz geregelt, in der Regel zum Nachteil der Partei, welche die Frist nicht beachtet hat, zuweilen um die rechtswirksame Durchführung einer Rechtshandlung zu verhindern.

Durch die Nichtbeachtung einer Frist mit aufschiebender Wirkung wird die einleitende Handlung nichtig (zum Beispiel wenn in einer Vorladung eine Frist für das Erscheinen vor Gericht angegeben ist, die kürzer als die gesetzliche Mindestfrist ist, es sei denn der Beklagte erscheint ohne Einwendung vor Gericht) oder die anschließende Rechtshandlung unwirksam (zum Beispiel nach Artikel 477 der Zivilprozessordnung, wenn aufgrund eines gegen eine verstorbene Person einklagbaren Vollstreckungstitels (titolo esecutivo) eine gerichtliche Verfügung (precetto) den Erben erst 10 Tage nach der Zustellung des Vollstreckungstitels zugestellt werden darf und ein Versäumnis dieser Frist ein Grund für die Anfechtung des Vollstreckungstitels ist).

13. Welche Rechtsbehelfe stehen Parteien bei Versäumnis einer Frist zur Verfügung?

Einer säumigen Partei stehen folgende Rechtsmittel offen:

  • Eine säumige Partei, die nicht fristgerecht vor Gericht erschienen ist, kann den untersuchenden Richter um Erlaubnis bitten, eine Rechtshandlung durchführen zu dürfen, zu deren Durchführung sie das Recht verloren hat, wenn sie nachweisen kann, dass sie aufgrund der unwirksamen Vorladung oder Zustellung der Vorladung nicht von dem Prozess Kenntnis nehmen oder aus Gründen, die nicht in ihrem Machtbereich liegen, nicht vor Gericht erscheinen konnte (Artikel 294 der Zivilprozessordnung). Hält der Richter diese Gründe für wahrscheinlich, kann er beschließen, dass das Hindernis nachgewiesen wurde, und eine Heilung der Folgen des Fristablaufs zulassen.
  • Eine säumige Partei, gegen die ein Urteil ergangen ist, kann gegen das Urteil Berufung einlegen, auch wenn die in Artikel 327 der italienischen Strafprozessordnung (ein Jahr + 46 Tage für die Gerichtsferien im Sommer) genannte Frist abgelaufen ist. Voraussetzung dafür ist der Nachweis, dass die Partei aufgrund einer unwirksamen Vorladung oder Zustellung der Vorladung von dem Prozess keine Kenntnis erlangt hatte.

Auch eine Partei, die vor Gericht erschienen ist, kann die Heilung der Folgen einer Fristversäumung gemäß Artikel 184bis der Zivilprozessordnung beantragen, wenn sie nachweisen kann, dass sie eine bestimmte Rechtshandlung aus Gründen, die nicht in ihrem Machtbereich liegen, nicht durchführen konnte. Dieses kann aber nur bei der Eröffnung eines Verfahrens erster Instanz erfolgen. In Berufungsverfahren ist die Heilung der Folgen einer Fristversäumung nur möglich, um der säumigen Partei Gelegenheit zu geben, neue Beweismittel vorzulegen, und auch nur dann, wenn die Partei nachweisen kann, dass sie im Verfahren erster Instanz aus Gründen, die nicht in ihrem Machtbereich liegen, diese Beweise nicht vorlegen konnte (Artikel 345 der Zivilprozessordnung).

* Alle Rechte sind der EU vorbehalten

*Quelle: Europäische Kommission

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