Gerichtliche Zuständigkeit Italien

A. Muss ich bei einem ordentlichen Gericht oder bei einem besonderen Gericht Klage erheben?

In der ersten Instanz gibt es Friedensrichter und Gerichte. Die Funktion des Friedensrichters wurde per Gesetz Nr. 374/1991 eingeführt. Friedensrichter sind ehrenamtliche Richter, keine Berufsrichter. Ihre Ernennung ist befristet, aber sie gehören der Richterschaft an (siehe „Gerichtsorganisation“).

Für bestimmte Rechtsgebiete gibt es besondere Gerichte, z. B.:

Jugendgerichte, Kammern für Landwirtschaftssachen bei den Gerichten und Berufungsgerichten sowie das Regionalgericht für Wasserwirtschaft. Diesen Spruchkörpern gehören Berufsrichter und Sachverständige an.

Vor kurzem wurden (mit Decreto legislativo Nr. 168/2003) an zwölf Gerichten und Berufungsgerichten (Bari, Bologna, Catania, Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Palermo, Rom, Turin, Triest und Venedig) Kammern für Urheberrecht und für den gewerblichen Rechtsschutz eingerichtet. Die Richter dieser Fachkammern sind Berufsrichter.

B. Wie finde ich im Falle der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte heraus, wo ich konkret Klage erheben muss?

Die gerichtliche Zuständigkeit folgt aus der Gliederung des Gerichtssystems. Die Zivilprozessordnung enthält Kriterien zur Feststellung des zuständigen Gerichts. Anhand dieser Kriterien lässt sich bestimmen, welches Gericht in einem bestimmten Fall anzurufen ist.

Zunächst ist zu ermitteln, ob ein Friedensgericht oder ein ordentliches Gericht zuständig ist; das hängt ab vom Grund der Streitigkeit und von der Höhe des Streitwerts.

Nachdem die zuständige Gerichtsbarkeit bestimmt ist, wird das anzurufende Gericht anhand der örtlichen Zuständigkeit bestimmt.

I. Gibt es bei ordentlichen Zivilgerichten einen Unterschied zwischen unteren und oberen Gerichten, und wenn ja, welches ist zuständig für meinen Fall?

Ob ein Friedensrichter oder ein ordentliches Gericht zuständig ist, hängt vom Streitgrund und vom Streitwert ab. Unabhängig vom Streitwert, sind Friedensgerichte in folgenden Sachfragen zuständig:

  1. Streitigkeiten um Grundstücksgrenzen und Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstände für Baum- und Heckenpflanzungen;
  2. Inanspruchnahme kollektiver Einrichtungen bei Miteigentum an Gebäuden;
  3. Unzumutbare Rauch-, Wärme- und Lärmimmissionen.

Friedensrichter sind auch für Einspruchsverfahren gegen Bußgeldbescheide zuständig, wobei jedoch Geldbußen in Höhe von über 15 493,71 € ebenso wie bestimmte erhebliche Ordnungswidrigkeiten (Gesetz Nr. 689/1981) vor einem ordentlichen Gericht verhandelt werden.

Ein Friedensgericht ist in folgenden Sachen mit folgenden Streitwertgrenzen zuständig:

  1. Streitfälle über bewegliche Sachen mit einem Streitwert bis 2 582,28 €, sofern das Gesetz nicht die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes vorschreibt;
  2. Schadenersatzansprüche bei Schäden durch Kraftfahrzeuge bzw. Schiffe bis 15 493,17 €.

Ordentliche Gerichte sind für alle Streitfälle zuständig, die nicht einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind. Sie haben ausschließliche Zuständigkeit in den Bereichen Steuern, Personenstand und Geschäftsfähigkeit, Ehrenrechte, Fälschung, Vollstreckung und allgemein für alle Sachen mit unbestimmtem Streitwert.

Ordentliche Gerichte können ferner über Enteignungen entscheiden und sind generell für Verfügungen zuständig, und zwar auch in Fällen, die dem Grunde nach sonst von Friedensgerichten verhandelt würden (Artikel 669ter und 669quater der Zivilprozessordnung (ZPO)).

II. Örtliche Zuständigkeit (Gerichtsstand)

1. Grundregel der örtlichen Zuständigkeit.

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich generell nach dem Gerichtsstand der natürlichen bzw. juristischen Person (§§ 18, 19 ZPO).

Sofern nicht vom Gesetz anders vorgeschrieben, ist das Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagten oder, falls dieser Ort nicht bekannt ist, am Aufenthaltsort des Beklagten zuständig.

Falls der Beklagte keinen Sitz, Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort im Inland hat bzw. sein Aufenthaltsort unbekannt ist, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Klägers.

Bei juristischen Personen gilt als Gerichtsstand der Ort, an dem sie ihren Sitz bzw. (wahlweise) eine Niederlassung und einen zur Vertretung des Unternehmens berechtigte Person haben. Bei Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit sowie Vereinigungen und Ausschüssen gilt der Ort ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit.

2. Ausnahmen von dieser Grundregel
a) In welchen Fällen kann ich wählen zwischen dem Gericht am Aufenthaltsort des Beklagten und einem anderen Gericht?

Neben dem allgemeinen Gerichtsstand der natürlichen oder juristischen Person kommen auch besondere Gerichtsstände für schuldrechtliche Streitfälle in Frage. In solchen Fällen hat die Partei die Wahl zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand und dem Gericht des Ortes, an dem der (vertragliche oder außervertragliche) Anspruch entstanden oder zu erfüllen ist (§ 20 ZPO). Die beiden fakultativen Gerichtsstände gemäß § 20 ZPO und die allgemeinen Gerichtsstände bestehen nebeneinander (konkurrierende Gerichtsstände).

Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen ist nach ständiger Rechtsprechung der „Ort, an dem das Schuldverhältnis entstanden ist“, der Ort, an dem das schädigende Ereignis stattgefunden hat. Im Falle einer Vertragsverletzung muss es sich um die Hauptpflicht aus dem Schuldverhältnis handeln und darf keine Ersatzleistung betreffen.

Der von den Parteien vertraglich vereinbarte Gerichtsstand ist, soweit nicht ausdrücklich eine ausschließliche Zuständigkeit festgelegt wurde, identisch mit dem allgemeinen Gerichtsstand und dem Wahlgerichtsstand nach § 20 ZPO.

Nebenklage in einem strafrechtlichen Verfahren. Opfer von Straftaten bzw. deren Erben und Rechtsnachfolger können in einem Strafverfahren gegen den Angeklagten oder gegen die zivilrechtlich haftende Partei als Nebenkläger auftreten (§§ 74 ff. ZPO). Zivilrechtliche Verfahren, die vor einem Zivilgericht angestrengt wurden, können an ein Strafgericht überwiesen werden.

b) In welchen Fällen muss ich bei einem anderen Gericht als dem am Wohnsitz des Beklagten Klage erheben?
  • Der Kläger muss ein Gericht abweichend vom allgemeinen Gerichtsstand anrufen, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit vom Gesetz vorgeschrieben bzw. von den Streitparteien vereinbart ist.

Die ausschließliche Zuständigkeit hat Vorrang vor anderen gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten, wobei jedoch die so festgestellte Zuständigkeit nicht zwingend verbindlich ist und bei Klageverbindung geändert werden kann.

Ausschließliche Zuständigkeiten sind: die gesetzlich vorgeschriebene Zuständigkeit für dingliche Rechte und Besitzschutzansprüche (Standort der unbeweglichen Sache, § 21 ZPO); Erbstreitigkeiten (Ort der Nachlasseröffnung, § 22 ZPO); Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern und zwischen Miteigentümern (Ort, wo die Firma ihren eingetragenen Sitz hat bzw. wo sich das gemeinschaftliche Eigentum befindet, § 23 ZPO); Streitfälle in Bezug auf Vermögensverwaltungen (Ort der Vermögensverwaltung, § 24 ZPO).

  • Ferner gibt es verbindliche besondere Gerichtsstände, wo aus Gründen des öffentlichen Interesses keine Ausnahmen vorgesehen sind. Der Gerichtsstand kann nicht verlegt werden, wenn Klagen auf Grund der Präventions- und Assimilationsvorschriften bzw. infolge von Klageverbindungen zusammengeführt werden (§§ … ff. ZPO).

Verbindlich ist der Gerichtsstand für: steuerrechtliche Fälle mit Beteiligung einer staatlichen Verwaltungsbehörde, hier ist das Gericht am Sitz der Hauptverwaltung dieser staatlichen Stelle zuständig (§ 25 ZPO); Abwehr der Zwangsvollstreckung (§ 27 ZPO); einstweilige Verfügungen (§ 669ter und 669quater ZPO); Besitzschutzklagen und vorbeugende Unterlassungsklagen (quia timet).

Der Gerichtsstand ist ferner unabänderlich in Fällen mit Beteiligung der Staatsanwaltschaft (von Amts wegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Klagen, Ehesachen, Personenstand und Geschäftsfähigkeit von Personen sowie in anderen gesetzlich vorgeschriebenen Fällen, § 70 ZPO) sowie in vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen (§ 28 ZPO) wie arbeitsrechtlichen Streitigkeiten (§ 413 ZPO) und Bestätigungen von Zwangsräumungen (§ 661 ZPO).

  • Verbindliche besondere Gerichtsstände für bestimmte Rechtssachen

Ordentliche Gerichte, die als Arbeitsgerichte handeln, sind zuständig für Streitigkeiten in Bezug auf Einzelarbeitsverträge. Örtlich zuständig ist das Gericht des Ortes, wo das Arbeitsverhältnis begründet worden ist, d. h. wo der Arbeitnehmer beschäftigt ist oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt beschäftigt war (§ 413 ZPO). Vertragsbestimmungen, die eine Abweichung von der oben genannten Zuständigkeit vorsehen, sind null und nichtig. Die gerichtliche Unzuständigkeit kann vom Beklagten nur im Rahmen der Klageerwiderung nach § 416 ZPO geltend gemacht oder vom Gericht selbst festgestellt werden, aber nicht nach der mündlichen Verhandlung (§ 428 ZPO).

Für Vertretungsverhältnisse und andere Formen dauerhafter Zusammenarbeit ist das Gericht des Ortes zuständig, wo der Handelsagent bzw. Handelsvertreter seinen Sitz hat (§ 413 ZPO).

Zuständig für Scheidungssachen ist das Gericht am Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des beklagten Ehegatten oder, wenn dessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist bzw. der beklagte Ehegatte im Ausland wohnt, das Gericht am Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Scheidungsklägers. Wenn beide Parteien im Ausland leben, kann vor einem beliebigen Gericht im Land verhandelt werden. Bei einer Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen kann der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort eines der Ehegatten gewählt werden.

Trennungsklagen sind beim Gericht am Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Beklagten einzureichen (§ 706 ZPO). Die Parteien können hier keine abweichende Zuständigkeit einvernehmlich vereinbaren, sondern es gilt der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Beklagten. Die Möglichkeit, das Gericht am Wohnsitz des Klägers anzurufen, wird jedoch nicht ausgeschlossen und kommt zum Tragen, wenn der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort der beklagten Partei nicht feststellbar ist.

Bei Rechtsmitteln gegen Zwangsvollstreckung gelten allgemeine Regeln für die Bestimmung der Zuständigkeit nach Art der Streitigkeit und Höhe des Streitwerts, während die örtliche Zuständigkeit ausnahmslos dem Gericht am Ort der anstehenden Vollstreckung zugewiesen bleibt.

  • Was passiert bei Nichteinhaltung der Regeln zur Bestimmung der Zuständigkeit nach Sachgrund, Streitwert und Ort?

Mit der Reform im Jahre 1990 wurden die Regeln dahingehend vereinfacht, dass die einfache örtliche Unzuständigkeit nur von der beklagten Partei im Rahmen ihrer Klageerwiderung geltend gemacht werden kann (außer in den Fällen mit gesetzlich vorgeschriebenen Zuständigkeiten). In allen anderen Fällen (Unzuständigkeit infolge des Streitgrunds bzw. Streitwerts oder wegen gesetzlich vorgeschriebener Zuständigkeit anderer Stellen) kann auch der Richter über die Unzuständigkeit entscheiden, jedoch nicht nach der ersten Anhörung. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Ohne entsprechenden Antrag bzw. bei verspätetem Antrag wird die Frage der Zuständigkeit nicht berührt und bleibt die Zuständigkeit beim angerufenen Gericht (§ 38 ZPO).

c) Können die Streitparteien ein Gericht abweichend vom eigentlich zuständigen Gericht vereinbaren?
  • Außer in Fällen, in denen der Gerichtsstand gesetzlich vorgeschrieben ist, können die Parteien andere Zuständigkeiten vereinbaren. Die Vereinbarung muss in schriftlicher Form abgefasst werden und für bestimmte Rechtsgeschäfte gelten.

Bei dem vereinbarten Gerichtsstand handelt es sich um einen konkurrierenden Gerichtsstand, außer wenn ausdrücklich eine ausschließliche Zuständigkeit vereinbart wird. Da eine Gerichtsstandsvereinbarung (auch wenn sie einen ausschließlichen Gerichtsstand vorsieht) keine verbindliche gesetzliche Gerichtsstandsregelung ist, kann sie im Falle von Klageverbindungen geändert werden.

Eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung in Verträgen, die durch einfache Vereinbarung bzw. Unterzeichnung eines Vertragsformulars geschlossen wurden, muss ausdrücklich schriftlich genehmigt werden. Diese ausdrückliche Genehmigung ist nicht notwendig, wenn der Vertrag zwischen den Parteien frei ausgehandelt wird.

In Verträgen, die zwischen Verbrauchern und Unternehmen abgeschlossen werden, gilt es als unlauter, wenn eine andere Zuständigkeit als die des Gerichtes am Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Verbrauchers vereinbart wird (§ 1469bis Zivilgesetzbuch).

  • Ferner kann als Gerichtsstand stillschweigend das Gericht am Zustellungsort vereinbart werden.

C. Wie finde ich im Falle der Zuständigkeit von besonderen Gerichten heraus, wo ich konkret Klage erheben muss?

Das Kriterium für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der sachliche Streitgrund einhergehend mit dem gesetzlichen Kriterium für die örtliche Zuständigkeit.

  • Für sämtliche Streitigkeiten in Bezug auf landwirtschaftliche Verträge sind die Kammern für Landwirtschaftssachen der ordentlichen Gerichte zuständig. Diese Zuständigkeit gilt ausschließlich. Örtlich zuständig ist das Gericht des Ortes, an dem sich die Sache befindet (Gesetz Nr. 1990/29).
  • In Fällen elterlicher Fürsorgepflicht, wo ein schädigendes Verhalten gegenüber dem Kind seitens eines Elternteils oder beider Eltern vorliegt (ex §§ 330 ff. Zivilgesetzbuch), ist das Jugendgericht für die Einleitung angemessener Schritte zuständig. Maßgeblich für die Feststellung des örtlich zuständigen Gerichts ist der tatsächliche Aufenthaltsort des Kindes, d. h. sein gewöhnlicher Aufenthalt, am Tage der Klageerhebung bzw., wenn das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird, am Tag des Verfahrensbeginns. Es handelt sich hier um eine verbindliche funktionelle Zuständigkeit.
  • Für Rechtsstreitigkeiten im Bereich des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes (nationale und internationale Warenzeichen und Gemeinschaftsmarken, Patente, Sortenschutzrechte, Geschmacksmuster, Gebrauchsmuster und Urheberrecht sowie Verletzung dieser Schutzrechte durch unlauteren Wettbewerb) gibt es bei den Gerichten spezielle Kammern. 12 Gerichte (und Berufungsgerichte) besitzen Fachkammern für Streitfälle, die nach den allgemeinen Kriterien vor den im Decreto legislativo Nr. 2003/168 angegebenen Gerichten verhandelt werden müssten. Beispielsweise kommen Streitigkeiten, die vor einem Gericht im Bezirk der Berufungsgerichte von Mailand und Brescia hätten verhandelt werden müssen, vor die Fachkammer in Mailand.

*Quelle: Europäische Kommission

*Nur die in der Papierausgabe des Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte Fassung der Rechtsakte der Europäischen Union ist verbindlich.

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